Doch Herr Merz, Deutschland kann Software – deutsche Bürokratie kann sie nicht

„Ihr Deutschen, ihr könnt Software nicht wirklich gut. Software ist ein chaotisches System, ständig voller Fehler, nie perfekt, das könnt ihr Deutschen nicht!“ So zitierte Bundeskanzler Friedrich Merz am 23. Juni auf dem Tag der Industrie den Nvidia-CEO Jensen Huang – und stimmte ihm prompt zu: „Ich vermute, er hat recht.“

Herr Merz, Sie sind einem Verkäufer aufgesessen.

Was Huang als deutsche Maschinenbau-Exzellenz verkauft und Sie als „Gigafactory“ feiern, ist nichts weiter als ein klassisches Brick-and-Mortar-Rechenzentrum – nur in groß. 10.000 Grafikkarten in Racks, dazu Kühlung und Stromversorgung. Das könnte man genauso in Mexiko, Polen oder Irland bauen. Doch da hilft es Nvidia nichts.

Gebraucht wird diese „AI-Factory“ nämlich nicht wegen deutscher Innovation, sondern wegen innovativer EU-Regulierung: Digital Services Act, AI Act, DSGVO. Nvidia muss nach Europa, weil europäische Industriekunden ihre Daten nicht in die USA schicken dürfen oder wollen. Datensouveränität nennt man das heute – früher hieß es schlicht Protektionismus.

Freiwillig kommt Nvidia trotzdem nicht nach Deutschland. Um das zu verstehen, braucht man nur Mathematik – aber offensichtlich kann Deutschland auch kein Mathe mehr.

Die Rechnung ist simpel: Eine H100-GPU verbraucht etwa 700 Watt unter Volllast. 10.000 Stück sind 7 Megawatt IT-Last. Mit einem realistischen PUE von 1,4 für Kühlung und Infrastruktur kommen wir auf knapp 10 Megawatt Gesamtverbrauch – das sind 85 Gigawattstunden pro Jahr.

Bei Deutschlands Industriestrompreisen von etwa 15 Cent pro kWh macht das 12,8 Millionen Euro jährlich. Ein Cent Preisunterschied beim Strom bedeutet 850.000 Euro Mehrkosten pro Jahr. Deutschland hat nicht nur den teuersten Strom der Welt – wir liegen bei Industriestrom etwa 10 Cent über dem US-Durchschnitt. Das sind 8,5 Millionen Euro Mehrkosten pro Jahr für dieses eine Rechenzentrum.

Da muss man schon sehr fette Subventionen anbieten. So fett, dass Nvidias CEO persönlich nach Berlin reist, um dem deutschen Kanzler zu erklären, wie er die Welt zu sehen hat: „Ihr könnt zwar keine Software, aber Maschinenbau – und mein Rechenzentrum ist ja quasi Maschinenbau.“

Huang lobt den deutschen Maschinenbau, obwohl der für seine als „Gigafactory“ getarnte Rechenhalle keine Relevanz hat. Kennenlernen wird er aber die deutsche Bürokratie. Er denkt wohl, er könne das Rechenzentrum so bauen wie in Asien oder den USA. Wie sonst soll er auf eine Eröffnung für Ende 2026 abzielen – bei der ich herzlich lachen musste.

Ab 2025 muss er einen Energy Reuse Factor von mindestens 30 Prozent erreichen, das heißt: 30 Prozent seiner Abwärme anderweitig nutzen. Dafür braucht er Abnehmer – Fernwärmenetze, Gewächshäuser, was auch immer. Hat er schon einen gefunden für 60+ Megawatt Abwärme? Außerdem darf er seine GPUs nur noch bei mindestens 24 Grad Celsius luftkühlen, ab 2028 sogar 27 Grad. Und sein PUE muss von realistischen 1,4 auf gesetzlich vorgeschriebene 1,3 runter – das kostet extra.

Dann darf er auch noch hoffen, dass auf seinem Baugrund keine Gelbbauchunke lebt, die seinen Bau zum Erliegen bringt. Hässliche Details wie der Strom eigentlich zum Rechenzentrum kommt und was Öko-Aktivisten sind und machen, lassen wir hier mal außer Acht.

Herr Merz, Sie sind einem Schmeichler auf den Leim gegangen, der Ihnen erzählt, was Sie hören wollen.

Von IT-ler zu Jurist

Herr Merz, ein Wort von einem Informatiker an einen Juristen.

Sie haben Jura studiert, ich bin Diplom-Informatiker mit Master of Engineering. Mit 10.000 Stunden am Klavier gilt man als Virtuose – ich habe mindestens 15.000 Stunden C++ hinter mir. Bilderkennung für die Textilindustrie, UAVs mit automatischer Bildauswertung, Industriesteuerungen. Ich weiß also, wovon ich rede, wenn es um Software geht. Und nichts an Software ist chaotisch, sie ist das genaue Gegenteil.

Präzision hat Deutschland im Maschinenbau groß gemacht. Dieselbe Präzision hat uns auch in der Software stark gemacht – gerade dort, wo das Silicon-Valley-Credo „Move fast and break things“ keine Option ist. Medizinsoftware, die Leben rettet. Verwaltungssoftware, die Millionen von Bürgerdaten sicher verwaltet. Industriesoftware, die Fabriken steuert. Zuverlässig, präzise, von hoher Qualität.

Und da ist Deutschland immer noch führend, auch wenn es durch bürokratische Hürden immer schwerer wird. Warum sonst baut Nvidia ausgerechnet hier ein Rechenzentrum? Nicht nur wegen der Subventionen – trotz des teuersten Stroms der Welt. Sondern weil hier ihre Kunden sitzen. Und das sind keine Juristen, Politikwissenschaftler oder Sozialreferenten – es sind Softwareunternehmen.

SAP, Nemetschek, CompuGroup Medical, Dedalus, Vector Informatik, SUSE, Teamviewer, DATEV, Haufe-Lexware, Software AG sind alles Unternehmen, die es laut Ihnen, Herr Merz, nicht können, nur um einige zu nennen. Die Liste ist länger, aber ich denke Sie verstehen den Punkt. Was also kann Deutschland nicht?

Was Deutschland wirklich nicht kann

Deutschland kann keine Startups in Garagen. Denn das Einrichten von Betriebsstätten in Garagen ist vom Bauamt verboten und wird vom Ordnungsamt durchgesetzt.

Das erfuhren wir in den 1990er Jahren als Studenten, als wir bei einem staatlich organisierten Event für Startups einen Vortrag eines Professors anhören durften, der sich selbst für sein Unternehmertum beweihräucherte – obwohl es nicht durch Exzellenz, sondern durch Connections getrieben war. Er sagte: „Wir brauchen mehr Startups, junge Menschen, die in Garagen Weltfirmen gründen, wie in den USA.“

Wir verdrehten alle die Augen. Viele von uns waren bereits dabei, ihre ersten Firmen zu gründen, ich mit meinen Mitstudenten auch. Wir kannten die Realität: Formulare, Genehmigungen, Auflagen. Einer meiner Kommilitonen erwiderte daraufhin trocken: „Das Einrichten von Betriebsstätten in Garagen ist vom Ordnungsamt verboten.“

Es ist immer noch so.

Der deutsche Staat kann keine Software. Corona-Warn-App, Elektronische Patientenakte, Elektronische Gesundheitskarte, Modesta, ELENA, Toll Collect, Digitalfunk, IT-Konsolidierung – alles Projekte, die völlig überteuert die Erwartungen nicht erfüllt haben oder gleich ganz gescheitert sind. Dieselbe Bürokratie legt nun mit derselben deutschen Gründlichkeit jede EU-Regelung aus, die Innovation erstickt, während andere EU-Länder dieselben Regeln pragmatischer auslegen.

Die Konsequenz

2016 hat mich ein Kunde in die Ukraine geschickt. Dort habe ich für ihn eine Softwarefirma aufgebaut und später meine eigene gegründet. Seitdem bin ich weg aus Deutschland. Nicht nur Ukraine, auch Polen und Rumänien. Ich begleite Firmen, die Softwarespezialisten suchen oder Standorte in diesen Ländern gründen wollen. Ich biete einen sicheren Weg, dies vorher zu „testen“. mcpk bietet Teamerweiterungen an, Teamaufbau oder eben auch Standortaufbau. Ich habe dies in allen genannten Ländern durchexerziert.

Polen und Rumänien zum Beispiel sind viel einfacher, viel offener, was Startups angeht. Nicht durch Förderungen, sondern weil man sie erst mal machen lässt. Während Deutschland über Software-Kompetenz diskutiert, entsteht sie dort, wo sie entstehen kann.

Aussagen wie die Ihre, Herr Merz, werden dazu führen, dass mehr Firmen nicht einfach nach Entwicklerkapazitäten fragen – ein Mangel in Deutschland – sondern auch konkret nach Unterstützung zum Aufbau eines eigenen Standorts in Osteuropa.

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