Als Unternehmer lerne ich täglich dazu. Heute lernte ich: Es gibt tatsächlich Menschen, die glauben, dass der „Arbeitgeberanteil“ zur Sozialversicherung vom Himmel fällt. Dass es magisches Geld ist, das nichts mit den Lohnkosten zu tun hat.
Spoiler: Ist es nicht.
Jeder Euro, den ein Unternehmen für einen Mitarbeiter ausgibt – ob direkt als Gehalt oder als „Arbeitgeberanteil“ an den Staat – ist Teil eines Gesamtpakets. Ob ich Ihnen 5.000 Euro brutto zahle oder 4.500 Euro plus 500 Euro Sozialabgaben, ist für mich als Arbeitgeber derselbe Kostenblock. Aber das nur am Rande, denn heute geht es um die harten Fakten der letzten sechs Monate.
Die Realität in Zahlen: Was uns 2025 bereits gekostet hat
Während Politiker über „soziale Gerechtigkeit“ philosophieren, rechnen Unternehmer. Hier die nackten Zahlen der Kostensteigerungen seit Jahresbeginn 2025:
Pflegeversicherung: +0,2 Prozentpunkte (von 3,4% auf 3,6%). Klingt wenig? Bei einem Softwareentwickler mit 6.000 Euro Brutto sind das zusätzlich 12 Euro im Monat – für Arbeitgeber UND Arbeitnehmer. 24 Euro mehr pro Mitarbeiter, jeden Monat.
Krankenversicherung: Der Zusatzbeitrag stieg um 0,8 Prozentpunkte auf durchschnittlich 2,5%. Wieder unser 6.000-Euro-Entwickler: 48 Euro mehr im Monat, geteilt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Macht 24 Euro zusätzlich für den Arbeitgeber, 24 Euro weniger Netto für den Mitarbeiter.
Beitragsbemessungsgrenzen: Hier wird es richtig teuer. Die Grenze für Renten- und Arbeitslosenversicherung stieg von 7.550 Euro auf 8.050 Euro monatlich. Ein Teamleiter mit 8.000 Euro Gehalt zahlt jetzt auf sein komplettes Gehalt Sozialabgaben – früher war bei 7.550 Euro Schluss. Das sind rund 93 Euro mehr Rentenbeitrag pro Monat (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil zusammen).
Insolvenzgeld-Umlage: Von 0,06% auf 0,15% – eine Verdopplung. Zahlt der Arbeitgeber allein.
Zusammengerechnet: Ein Unternehmen mit 20 Entwicklern (Durchschnittsgehalt 6.500 Euro) zahlt durch diese Änderungen monatlich rund 2.000 Euro mehr an Lohnnebenkosten. Das sind 24.000 Euro im Jahr – zusätzlich.
Und das war nur der Anfang des Jahres. Die nächsten sechs Monate bringen weitere „Geschenke“: Mindestlohnerhöhung um 8,4% (die größte seit Einführung), noch höhere Beitragsbemessungsgrenzen 2026, und diverse Tarifabschlüsse, die teilweise zweistellige Gehaltssteigerungen vorsehen.
„Mindestlohn interessiert uns doch nicht“ – Ein teurer Irrtum
Viele Unternehmer denken: „Mindestlohn? Betrifft uns nicht. Unsere Entwickler verdienen 60.000 Euro im Jahr, nicht 27.000.“
Das ist ein kostspieliger Denkfehler.
Denn hier passiert gerade etwas Perfides: Während der Mindestlohn um 8,4% steigt und das allgemeine Lohngefüge nach oben zieht, fressen die gestiegenen Lohnnebenkosten das Netto der Mitarbeiter auf. Ein Softwareentwickler mit 5.500 Euro brutto hat durch die Änderungen seit Jahresbeginn etwa 35-40 Euro weniger Netto im Monat – bei gleichzeitig steigenden Lebenshaltungskosten.
Was passiert also? Der Entwickler kommt zum Gespräch und sagt: „Ich brauche eine Gehaltserhöhung.“ Nicht weil er gierig ist. Sondern weil er völlig zu Recht erwartet, dass seine Kaufkraft für die gleiche Arbeitsleistung erhalten bleibt.
Rechenbeispiel: Um die gestiegenen Abgaben und die Inflation auszugleichen, braucht unser 5.500-Euro-Entwickler mindestens 200-250 Euro mehr brutto im Monat. Das sind für den Arbeitgeber – mit den ebenfalls gestiegenen Arbeitgeberbeiträgen – etwa 280-350 Euro Mehrkosten pro Mitarbeiter und Monat.
Der Teufelskreis:
Staat erhöht Abgaben und Mindestlohn
Mitarbeiter hat weniger Kaufkraft, fordert zu Recht Ausgleich
Arbeitgeber zahlt doppelt: Höhere Lohnnebenkosten PLUS Lohnerhöhungen
Das ist nicht Gier. Das ist Mathematik. Und jeder Unternehmer, der das nicht einkalkuliert, wird von den kommenden Gehaltsgesprächen überrascht werden.
Die Frage ist nicht, OB diese Erhöhungswelle kommt. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um?
Während Konzerne flüchten, sucht der Mittelstand Lösungen
Die großen Unternehmen machen es sich einfach. Bosch schließt Standorte, Continental verlagert Produktion, SAP baut in Osteuropa aus. Die Schlagzeilen sind täglich da: „XY-Konzern streicht 2.000 Jobs in Deutschland und eröffnet neuen Standort in Polen.“
Kalte Betriebswirtschaft. Standort dicht, neuen Standort auf. Fertig.
Der Mittelstand hat diesen Luxus nicht. Ein mittelständischer Unternehmer kann nicht mal eben seine komplette Firma nach Krakau verlagern. Er hat nicht die Ressourcen für eine Standortschließung mit anschließender Neugründung im Ausland. Vor allem aber: Er arbeitet täglich direkt mit seinen Mitarbeitern zusammen. Er kennt ihre Familien, ihre Geschichten, ihre Sorgen.
Soziale Verantwortung ist keine Phrase wenn man jeden Morgen in die Gesichter der Menschen schaut, deren Arbeitsplätze man trägt. Der Konzern-CEO trifft seine Entscheidung im Vorstandszimmer und lässt die Personalchefs die unangenehmen Gespräche führen. Der Mittelständler sitzt selbst im Gespräch.
Aber Verantwortung bedeutet nicht, sich wirtschaftlich ruinieren zu lassen. Auch der sozialste Unternehmer kann nur Arbeitsplätze erhalten, wenn das Unternehmen überlebt.
Die Frage ist also nicht: Standort schließen oder Kosten ignorieren?
Die Frage ist: Wie bleibe ich vor Ort UND wettbewerbsfähig?
Hier kommen intelligente Lösungen ins Spiel. Nearshore-Teams statt Standortflucht. Deutsche Qualitätsstandards mit osteuropäischen Kostenstrukturen. Der Unternehmer behält seine lokale Verantwortung – und gewinnt trotzdem die nötige Flexibilität, um die Kostenspirale zu durchbrechen.
Es geht nicht um Ausbeutung. Es geht um Resilienz.
Lassen Sie mich eines klarstellen: Es geht nicht darum, Personal abzubauen, weil es woanders billiger ist. Kein verantwortlicher Unternehmer sollte das tun. Es geht darum, Resilienz aufzubauen gegen die Lohnkostensteigerungen, die 2026 und danach kommen werden.
Und – entgegen dem weit verbreiteten Glauben – nicht auf Kosten der Arbeiter.
Die Wahrheit über osteuropäische Gehälter: Ein polnischer Ingenieur verdient nominal etwa 15.700 Euro netto im Jahr. Das klingt nach wenig im Vergleich zu deutschen 39.000 Euro. Aber hier kommt die Kaufkraft ins Spiel: Mit 15.700 Euro kann er sich in Polen so viel leisten wie ein Deutscher mit etwa 24.000 Euro. Das Preisniveau liegt bei nur 66% des deutschen Niveaus.
In Rumänien und Bulgarien ist es ähnlich: Nominell niedrigere Gehälter, aber durch die deutlich geringeren Lebenshaltungskosten eine Kaufkraft von 70-80% des deutschen Niveaus. Das ist fair. Das ist kein Lohndumping.
Woher kommen dann die Kosteneinsparungen für deutsche Unternehmen? Sie ahnen es schon: Die Lohnnebenkosten. Ein polnischer Entwickler kostet sein Unternehmen nicht 25-30% weniger wegen seines Gehalts, sondern wegen der deutschen Abgabenspirale, die in Polen nicht existiert.
Bei mcpk. leben wir diesen europäischen Gedanken seit Jahren. Wir bauen keine Standorte ab – wir bauen sie auf. In Polen, Rumänien, der Ukraine und Bulgarien. Entwickler von dort verdienen faire Löhne mit hoher Kaufkraft, und unsere deutschen Kunden bekommen Resilienz gegen die nächste Kostensteigerungswelle.
Unternehmer, die europäische Möglichkeiten nutzen, sind keine „Verräter“, die ihren Gewinn optimieren wollen. Sie sind Europäer, die den europäischen Gedanken leben – und gleichzeitig ihre heimischen Arbeitsplätze sichern, statt sie zu vernichten.
Die Frage ist nicht: Sollten Sie nach Osteuropa gehen? Die Frage ist: Wie lange können Sie es sich noch leisten, es nicht zu tun?