Der IT-Sammelbegriff-Wahnsinn und warum er schädlich ist

Vor Kurzem las ich im Netz: “Otto will bis zu 1000 Stellen in der IT abbauen”. Ein exzellenter Aufhänger für einen Artikel, dachte ich mir, als ich eine Recherche-KI mit Materialsammlung beauftragte. Das Ergebnis war dünn – aber es zeigte wieder das typische Problem in der Darstellung der Medien. Ich meine damit tatsächlich nicht die Übertreibung, sondern das Zusammenwerfen unterschiedlichster Kompetenzen in einem Sammelbegriff: “IT”.

Es spricht nichts dagegen, Gruppen zusammenzufassen, wenn der Kontext das ermöglicht oder sogar notwendig macht. Aber “IT-Stellenabbau” ist genauso sinnvoll wie die Aussage “Krankenhauspersonal verdient unterdurchschnittlich”. Klingt dramatisch, bis man merkt, dass da der Chefarzt mit seinem 300.000-Euro-Gehalt und die medizinische Fachangestellte mit ihren 35.000 Euro zusammengerechnet wurden.

Wenn es heißt, im Krankenhaus werden Stellen abgebaut, denkt jeder: “Oh, scheinbar brauchen wir keine Ärzte.” Aber das stimmt nicht. Abgebaut werden die Stellen, die leichter austauschbar sind – Verwaltung, Support, Service. Die Arbeit wird auf die Schultern verteilt, die eh schon hochbelastet sind. Ärzte sind hingegen selten betroffen, denn Ärzte sind in Deutschland gesucht.

Wo liegt das Problem? Nun, angehende Ärzte werden sich fragen, ob sie in Deutschland eine Zukunft haben. Das verschärft das Problem erst recht.

Der Otto Reality Check

Schauen wir uns die Otto-Geschichte genauer an. Meine Recherche ergab: Die mysteriösen “1000 IT-Stellen” existieren hauptsächlich in der Fantasie aufgeregter Journalisten. Otto hat eine neue IT-Einheit namens “One.O” gegründet, die rund 1000 Mitarbeitende umfasst – aber das ist eine Bündelung bestehender Teams, kein Stellenabbau.

Was bei Otto wirklich passiert? Man schließt acht von dreizehn Kundenzentren und baut 480 Call-Center-Jobs ab. Das sind die Stellen, die tatsächlich wegfallen. Nicht die der Senior Java Developer oder DevOps Engineers.

Aber hier wird es interessant: Otto beschäftigt laut GitHub-Daten über 1500 Software-Ingenieure in 60 Entwickler-Organisationen. Die haben ein eigenes AI-System namens “ogGPT”, das monatlich von über 9200 Mitarbeitenden genutzt wird. Klingt das nach einem Unternehmen, das seine Tech-Expertise abbaut?

Der Sammelbegriff “IT-Stellenabbau” verschleiert, was wirklich passiert: Otto kämpft, muss 80 Millionen Euro sparen, das Online-Business läuft nicht rund. Aber selbst unter diesem Kostendruck bauen sie nicht die Tech-Experten ab. Man schneidet sich für ein Rennen auch nicht ein Bein ab, um Gewicht zu sparen. Otto weiß genau, wo gespart werden kann (Call-Center) und wo nicht (Entwickler-Teams). Aber “Otto kämpft und hält trotzdem seine 1500 Software-Engineers” verkauft sich medial schlechter als “1000 IT-Stellen bedroht”.

Das Ergebnis? Während Otto unter Kostendruck trotzdem seine Tech-Experten hält, diskutieren wir über einen IT-Stellenabbau, der so nie stattgefunden hat.

Die Arbeitsmarkt-Illusion

Kein Unternehmen in Deutschland lehnt sich zur Zeit entspannt zurück. Trotzdem werden einige denken: “Wenn ich IT-Personal brauche, werde ich es bei der aktuellen Arbeitsmarktlage leicht welches finden. Otto hat ja gerade erst 1000 IT-Experten entlassen.” Wenn man dann aber einen DevOps Engineer sucht oder einen Senior Data Scientist, wird man schnell große Augen machen. Der deutsche Arbeitsmarkt gibt das nicht her.

Die Realität sieht so aus: Laut Bitkom-Studie gab es 2023 rund 150.000 unbesetzte IT-Stellen in Deutschland. Gleichzeitig melden Unternehmen wie SAP (8.000 Stellen), Intel (15.000) oder Microsoft Stellenabbau. Das klingt paradox, ist aber logisch: Die entlassenen SAP-Controller und Microsoft-Sales-Manager können nicht einfach als Kubernetes-Spezialisten bei einem Fintech anfangen.

Was passiert also? Recruiting-Teams verbringen Monate damit, den “perfekten” Senior React Developer zu finden, der fließend Deutsch spricht, in München wohnt und für 65.000 Euro arbeiten möchte. Spoiler: Den gibt es nicht. Während sie suchen, stagnieren Projekte, verschiebt sich die Roadmap, wächst die Frustration.

Die Ironie dabei: Nur 200 Kilometer weiter östlich, in Polen, arbeiten über 400.000 IT-Spezialisten. Allein in Warschau gibt es mehr Softwareentwickler als in ganz Bayern. Diese Entwickler sprechen exzellent Englisch, kennen die gleichen Frameworks wie ihre deutschen Kollegen und arbeiten in der gleichen Zeitzone. Aber deutsche Unternehmen suchen lieber monatelang nach dem Einhorn aus München.

Polen ist dabei nur ein Beispiel. In der gesamten Region – Ukraine, Rumänien, Tschechien – gibt es über eine Million qualifizierte Entwickler. Diese Länder produzieren jährlich zehntausende IT-Absolventen, während Deutschland mit Lehrermangel kämpft und erst 7 von 16 Bundesländern Informatik verpflichtend unterrichten.

Was soll der Mittelstand also tun?

Die Antwort ist simpel: Aufhören, nach dem Einhorn zu suchen. Statt monatelang einen Senior DevOps Engineer aus Hamburg zu jagen, der für mittelständische Gehälter arbeiten möchte, sollten Unternehmen dorthin schauen, wo die Talente tatsächlich sind.

Nearshoring ist nicht automatisch einfach. Wer glaubt, er kann einfach eine Stellenanzeige auf polnischen Jobportalen schalten und wartet dann auf Bewerbungen, wird enttäuscht. Kulturelle Unterschiede, rechtliche Hürden, Kommunikation – das alles will verstanden und gemanagt werden. Aber genau hier liegt der Unterschied zwischen Erfolg und Frustration.

Seit Jahren helfen wir bei mcpk. Unternehmen dabei, diese Brücke zu schlagen. Wir vermitteln nicht nur Entwickler, sondern bauen echte Partnerschaften auf. Ob es um die Betreuung einzelner Spezialisten geht oder um den Aufbau ganzer Entwicklungsteams in Polen, Rumänien oder der Ukraine – wir verstehen beide Seiten. Die deutschen Qualitätsansprüche genauso wie die osteuropäischen Arbeitsweisen.

Während andere noch diskutieren, ob “IT-Stellenabbau” eine Chance oder Bedrohung ist, arbeiten unsere vermittelten Teams bereits an den Projekten von morgen. Transparente Prozesse, klare Kommunikation, keine versteckten Kosten. Und ja: In 3-6 Wochen haben unsere Kunden funktionsfähige Teams, statt nach sechs Monaten erfolgloser Suche aufzugeben.

Der IT-Sammelbegriff-Wahnsinn wird sich nicht von heute auf morgen ändern. Aber kluge Unternehmen warten nicht darauf, dass die Medien differenzierter berichten oder der deutsche Arbeitsmarkt sich entspannt. Sie handeln. Jetzt.

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